DOCUMENTA KASSEL 16/06-23/09 2007

Der documenta 12 Künstler Simon Wachsmuth im Gespräch mit Roger M. Buergel

11. Juli, 13:00 Uhr, documenta 12 Halle

Foto: Julia Zimmermann

Welches Bild machen wir uns von der Vergangenheit? Ist wahr, was uns die  Geschichtsschreibung vermittelt? In der Installation Where We Were Then, Where We Are Now? (2007) befragt Simon Wachsmuth abendländische Geschichtsbilder, die persische Vergangenheit nur aus europäischer Perspektive konstruieren: Beide Antiken konfrontiert er in Form des Apadana-Reliefs aus Persepolis und eines Mosaiks aus Pompeji. Das Pompejanische Bild übersetzt er in eine moderne Sprache: eine weiße Tafel mit schwarzen Magneten. Das Apadana-Relief ist Thema eines Filmes. Im Bild dargestellte Lanzen finden sich im Raum als Rundstäbe, ebenfalls in Schwarz-Weiß, wieder. Ein Videofilm zeigt Männer beim Zurkhaneh, einer traditionellen iranischen Leibesübung. Eine Sammlung von Text- und Bildmaterial stellt außerdem inhaltliche Bezüge zwischen den historischen Ereignissen der beiden Wandbilder und dem aktuellen Zeitgeschehen her.

Roger Buergel nahm das Gespräch mit der Frage auf, wie die Arbeit Where We Were Then, Where We Are Now? (2007) zu ihrer Form kam, woraufhin sich Wachsmuth ironisch auf ein viertes, nicht existentes Leitmotiv bezog: Ist die Antike unsere Moderne?
Die einzelnen Bilder erschienen unkommentiert, bemerkte Buergel, die BesucherInnen seien auf sich selbst zurückgeworfen. Für Wachsmuth entsteht der Kontext über die datumlosen Zeitungsausschnitte. Er habe sich erkundigt, die Dualität zwischen Persern und Griechen, die er in seiner Arbeit inszeniert und kritisiert, spiele nach wie vor im Schulunterricht eine Rolle, gehöre zum klassischen Bildungskanon. Nach den Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen Film, Magnetbild, Stäbe und Zeitungsausschnitte gefragt, antwortete Wachsmuth, seine Installation setze sich bewusst aus historischen Ausschnitten zusammen, anhand derer er überlege, inwieweit Geschichte eigentlich verbindlich sein könne. Ein Film zeigt Persepolis, der andere Männer im "Haus der Kraft", die Objekte als Waffen sublimieren, bei einem traditionellen Ritual im „Haus der Kraft“, welche mit Objekten trainieren die ursprünglich Waffen waren. Das Motiv des Magnetbildes könne immer wieder variieren, Wachsmuth liegt nicht daran, dieses eine Schlachtmotiv aus 20.000 Rundmagneten zu bewahren. Wie Voltaire schon gesagt habe: Geschichte ist die Lüge auf die sich Historiker einigen können. Was wäre, bewirkte die Anziehungskraft unter den Magneten bis zum Ende der documenta 12, dass das Motiv ins Abstrakte wandere? Buergel will wissen, ob er sich vorstellen könne ein Museum einzurichten. Ja, das kann er, für Wachsmuth hängt die Institutionskritik eng mit der Museumsliebe zusammen. Die Stäbe sieht er übrigens, noch aus dem Zusammenhang einer früheren Arbeit, als Messlatte, als tragbare Objekte, die weder dem Minimalismus noch dem Modernismus zuzuordnen seien. Es gibt Analogien zu den Lanzen und Speeren aus dem Alexanderschlacht-Bild, das die Magnete nachformen. Gleichzeitig können sie aber einfach als vertikale Elemente angesehen werden, das ganze Objekt kann zur Projektionsfläche werden. So wie die Moderne die Geschichte der Abstraktion ist, bedeutet für Wachsmuth Abstraktion heute Narration.

Von Vera Tollmann


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